Werkstattbericht – Tatzeit 13. Mai 2014
Im Übrigen hat meine Recherche in den BRAVO-Foto-Lovestories mehr ergeben, als dass die Macher der BRAVO einen weirden Sinn für subtile Metaphorik in der Bildgestaltung haben – nämlich, dass die Sprache in meinem Tanzroman offenbar durchaus jugendtauglich ist. Ich hatte mir etwas Sorgen gemacht, ob ich alte Schrulle überhaupt eine Sprache treffe, die Jugendliche anspricht. Als Germanistin interessiere ich mich für aktuelle sprachliche Entwicklungen und verfolge z.B. die Wahl zum „Jugendwort des Jahres“ stets mit großer Neugierde – wobei mir natürlich auch klar ist, dass das, womit die Medien da herumzaubern, keineswegs die sprachliche Realität junger Menschen abbildet. Und genau das ist eben der Punkt: Wenn ich aus einer sprachlichen Varietät wie der Jugendsprache einige Vokabeln kenne, heißt das keineswegs, dass ich diese Varietät beherrsche (ist jetzt ein komplexes Thema mit dem Beherrschen von Sondersprachen, um das es auch in meiner Magisterarbeit ging – also die Frage, ab wann man eine Sondersprache „beherrscht“ und was man davon hat und so, sehr komplex!).
Also, ich meine, ich kann ja nicht meinen kompletten Tanzroman in einem pseudo-jugendsprachlichen Kauderwelsch à la „Bockstarke Klassiker“ schwurbeln, das ist peinlich! Aber es wirkt auch unglaubwürdig, wenn sich bei mir die Vierzehn- bis Siebzehnjährigen genauso ausdrücken, wie ich es jetzt mit Mitte dreißig tue. Und am allerschlimmsten ist es, wenn ich als jugendsprachliche Einsprengsel das nehme, was wir vor 25 – 20 Jahren so gesagt haben und was jetzt voll retro ist. Dachte ich zumindest. Aber die Macher der BRAVO, die denken das nicht! Da kamen in den Foto-Love-Stories echt solche Highlights wie „Du siehst ja aus wie Nena, nur in süß“. Hallo? Da hätten wir vor 25 Jahren drüber gekichert, aber heute kennen die Jugendlichen Nena doch bestimmt gar nicht mehr. Dann war da eine Story, da hat ein Mädchen so einen krassen Checker immer als „Mister Lover Lover“ bezeichnet. Also, das mit „Mister Lover Lover“, das ist ein Zitat aus dem Song „Mister Bombastic“. Der war in den Neunzigern cool, als ich jung war! Aber heute die jungen Leute, die kapieren diese Anspielung doch bestimmt nicht. Ganz schlimm fand ich auch diese pseudo-flippigen englischen Einsprengsel wie z.B. in „die Teens bummeln durch die City“ oder „das Girl ist voll gefrustet“. Hallo, die fand ich damals, als ich im Bravo-Lese-Alter war, schon extrem albern! Und heute ist Englisch doch erst recht auf dem absteigenden Ast, weil Chabo, Babo und so, ihr wisst schon. Ach. Aber was ich damit nur sagen will, sprachlich ist die BRAVO aktuell auf einem Stand, auf dem sie sich langsam dem Niveau der Neunziger annähert. Nichtsdestotrotz ist sie wohl die meistgelesene Jugendzeitschrift im deutschsprachigen Raum. Das bedeutet, die jungen Leute sind Kummer gewöhnt, was die Verhunzung „ihrer“ Sprache angeht. Die werden mir den ein oder anderen nicht mehr ganz so chabo-babo-up-to-daten Ausdruck sicherlich verzeihen, denn besser als die BRAVO ist mein Versuch einer zielgruppenorientierten Sprache allemal.
Roman Nr. 6 im Lit.Limbus Dance Floor. E-Book, ca. 300 Seiten von Nadine Muriel für 0,99 €