Zuerst veröffentlicht am 20. Oktober 2014
Letztens ging ich in die Tiefe und kramte meine ersten Erkenntnisse zum Thema Rumänien von 2011 heraus, die ich in Glossen goss und all den Autoren widme, die sich momentan fragen, was man mit Rumänien anfangen kann. (Eine Menge!) Den Audiophilen unter euch empfehle ich die Podcasts STRIGOI aus dem gleichen Jahr, der Rest darf lesen.
Meine Mutter schüttet sich schier aus vor Lachen, als ich ihr von der Krimi-Anthologie berichte.
„Hab ich’s nicht gesagt?“, feixt sie und schneuzt sich kräftig. „Neumodischer Kram! Wenn du Mord und Totschlag willst, dann erzähle ich dir was.“ Sie beginnt ohne Vorwarnung: „Hör zu. Es war die Nacht, als das Haus vom Timihani Misch abbrannte. Die Männer des Dorfes stürzten herbei und löschten die hungrigen Flammen, bis die lodernde Glut und dann nur noch Asche übrig war. Der unglückliche Timihani Misch und seine Familie kamen bei einem guten Nachbarn unter. Dann wurde die Brandwache eingeteilt, zu der auch mein Vater gehörte.“
„Mutti, ich kenne die Geschichte!“, stöhnte ich.
„Ha, aber deine Leser nicht“, widersprach sie und rieb sich die Hände. „Und so stand mein Vater und wachte. Die Unglücksnacht war sternenklar, der Mond stand wie ein großer runder Kuhkäse am Himmel, in der Ferne heulte ein Wolf, der Uhu schrie.“ Ich öffnete den Mund, um sie zu unterbrechen, doch sie fuhr ungerührt fort: „Alles Zeichen der anderen, der dunklen Seite. Mein Vater wusste, dass er nicht einschlafen durfte, denn wo es brennt, ist die Hölle nicht weit … Doch die Müdigkeit packte ihn so heftig, dass er sich in seiner Verzweiflung auf einen Schotterhaufen legte. ‚Nur ein wenig ruhen, nicht einschlafen‘, sagte er sich, hörte wieder den Wolf heulen, das rauschende Gefieder der Nachtvögel, das Fiepen einer Ratte …“
Ihre Stimme war immer leiser geworden. Ganz sacht stupste ich sie an, bevor ihr die Augen zufielen. Sie schreckte hoch.
„Und dann?“, fragte ich betont arglos.
Sie brauchte einen Moment. „Dann“, sagte sie und unterdrückte ein Gähnen, „dann spürt er plötzlich etwas Feuchtes im Gesicht – die Feuerdrud ist zurückgekehrt und bedeckt ihn mit ihren schleimigen Todesküssen! Schwer sitzt sie auf seiner Brust, um ihm das Leben auszusaugen, stinkendes Knurren lässt den Boden vibrieren. ‚Hilfe!‘ schreit er laut, stößt die gespenstisch weiße Drud weg und taumelt am Rande des Jenseits auf die Beine. Die Drud jagt mit fliegender Mähne davon, im gleißenden Mondlicht laut ihre Verwünschungen gegen ihn bellend.“
Mutter keucht.
Ich überlege einen Moment. „In Rumänien gab es immer freilaufende Hunde, oder?“
„Ach was, Hund, das war …“
„Am Ende ein Herdenhund?“, bohre ich nach.
Zögernd nickt Mutter. „Ein ungarischer Heuhaufen auf vier Beinen.“
„So so. – Ich kannte die Geschichte aber schon“, wiederhole ich mich, bevor sie sie noch mal erzählt.
„Du darfst dich auch mit deinem rumänischen Krimi herumärgern“, bietet Mutter mir listig an.
Gott bewahre!