1792 wurde dem Rat der Drei zum ersten Mal der Antrag vorgelegt, den Menschen das Geheimnis der Radioaktivität zu enthüllen. Als Grund wurde die fortschreitende Industrialisierung genannt, welche die Lebensräume für Wesen wie Kobolde, Gnome, Hexen, Wasserelben und Vampire in den ersten Jahrzehnten drastisch verkleinert hatte. Menschen, so die Argumentation des anonymen Sprechers eines geheim eingesetzten Ausschusses, seien neugierig und unvorsichtig. Im Umgang mit den hitzigen Steinen würden sie über kurz oder lang sämtliche Fantome und Duhovioren freisetzen. Diese würden anschließend die „Beseitigung der Menschheit vom Antlitz der Erde“ rasant vorantreiben. Nach der Ausrottung der Menschheit gäbe es wieder genug Lebensraum für die Zwischenweltwesen, ohne dass sich die Frage stelle, ob eine Gemeinschaft wie die Menschen überhaupt an sie glaube.
Der anonyme Sprecher des Ausschusses, deren Mitarbeiter aus allen Zwischenweltgattungen stammten, legte ebenfalls einen vorläufigen Plan vor, wie man die dadurch aus den Steinen freigesetzten Fantome und Duhovioren erneut bezwingen und in ein Reservat im Äther zurückführen könnte. Die damaligen Angehörigen des Rates lehnten dieses Vorgehen aus „Gründen des Miteinanders“ kategorisch ab.
Im April 1805 wurden nach dem Einsatz des Jacquard-Webstuhls erneut Befürchtungen laut, die Industrialisierung könne die Menschen zu den mächtigsten Wesen der Erde werden lassen. Mit Sorge sahen die Berater des Rates auch die Entwicklungen der Kriege in Europa, ausgelöst von einem gewissen Napoleon Bonaparte. Erstaunlicherweise fiel bei der erneuten Abstimmung darüber, ob man der Menschheit das Geheimnis der hitzigen Steine offenlegen sollte, die Stimmverteilung gleich aus. Die Vertreter der Kobolde, Hexen und Elben waren für die Offenlegung, da sie unmittelbar unter der Herrschaft der Menschheit zu leiden hatten. Dagegen stimmten die Vertreter der Zwerge, Gnome und seltsamerweise auch der Vampire. Denn sie fürchteten irreparable Schäden bei Pflanzen- und Tierwelt. Interessanterweise entsandten die Chimären keinen Vertreter.
Bis 1815 ruhte das Thema. Dann „tanzte der Kongress“ nach den Napoleonkriegen in Wien. Die Zwerge ließen sich von der Euphorie der Menschen anstecken. Sie schlugen vor, die Zwischen- und die Menschenwelt vertraglich zusammenzuschließen, um weitere Kriege zu verhindern und von der Industrialisierung zu profitieren. Doch während Zwerge nach wie vor unter Bergen und in Menschenstädten lebten, hatten Industrialisierung und Kriege die Lebensräume für die anderen Gattungen so stark schrumpfen lassen, dass ihnen eine Kooperation mit den Menschen wie Hohn anmutete. Außerdem wären die Zwerge die einzige Gattung gewesen, die wirklich von einem Zusammenschluss profitiert hätte, denn die Zwerge hatten den Welthandel erfolgreich für sich entdeckt.
Man konferierte und stritt in einem Nebenraum der Wiener Hofburg, bis plötzlich von jenem Napoleon Bonaparte „wegen der Sabotage des Russlandfeldzugs mittels Magie durch Vampire und Hexen Satisfaktion“ gefordert wurde. Das war eine glatte Lüge, die jedoch niemand entkräften wollte. Zusätzlich führte er eine Entscheidung der Tiefsee-Elben vom 21. Oktober 1805 an, die der britischen Krone den Sieg brachte. Zwar hatten die Tiefsee-Elben sich schon damals verpflichtet, weiterhin in besonderen Gefahrenlagen das Sterben der Seeleute im Meer zwischen Afrika, Europa und Asien einzudämmen. Doch an besagtem Tag eskalierte die Situation am Kap Trafalgar am westlichen Ende der Straße von Gibraltar. Briten, Franzosen, Spanier – wen sollten die Tiefseewesen unterstützen? Weil sie des Sterbens und der immer offensichtlicher werdenden Unterdrückung durch die Menschen müde waren, ließen sie alle über Bord gegangenen Seeleute ertrinken.
Aufgrund dieser Vorkommnisse drohte Bonaparte, sämtliche Verträge mit den Gattungen zu kündigen und auch die anderen Staatsoberhäupter dazu anzustiften, notfalls mit Hilfe eines weiteren Krieges. Zwar stand zu diesem Zeitpunkt bereits seine Verbannung im Raum. Jedoch wusste man um die intriganten Fähigkeiten des Feldherrn. Es war denkbar, dass einer seiner fanatischen Sympathisanten die Aufhebung aller Verträge trotz seiner Verbannung bewirkte.
Daliborka: Die Hexen.
Teil 2 der Trilogie Das Geheimnis der Freiheit E-Book, ca. 200 Seiten, Erstveröffentlichung September 2019