Trotz der ganzen positiven Veränderungen hatte ich immer noch keine Lösung für mein Herzensdilemma gefunden. Im Gegenteil, ich entwickelte sogar eindeutige Symptome von Liebeskummer, fand Mutti. »Wer ist denn der Glückliche«, fragte sie mich eines samstags beim Kaffee, »der für deine Augenringe verantwortlich ist?« Erschrocken betastete ich mein Gesicht. »Wie meinst du das?« »Na, es muss doch einen Grund haben, dass du blass und unausgeschlafen und total abwesend durch die Gegend läufst. Wie ferngesteuert.« Sie nippte an dem sorgsam gerösteten äthiopischen Kaffee, den ich zu unserem wöchentlichen Kaffeetrinken mitgebracht hatte. »Oder brütest du eine Depression aus?« In mir begann es zu rumoren. Das war doch das Signal, dass ich offen mit ihr über mein Gefühlsleben reden konnte, oder? Dass ich Frauen liebte. »Wie kommst du darauf, dass ein Mann dahintersteckt?«, fragte ich betont verwundert. Mutti war nicht dumm. Sie hatte ein besonderes Gespür für verzwickte Situationen, um nicht zu sagen: einen Extrasinn. Ihre Musterung geriet interessierter. »Also habe ich recht? Du bist unglücklich verliebt?« Nach kurzem Zögern nickte ich, nahm einen großen Schluck Kaffee und verbrannte mir die Zunge. Ganz nah beugte sie sich zu mir herüber. Fast erhob sie sich aus ihrem Lieblingssessel, als müsste sie in ihrer eigenen Wohnung aus Sicherheitsgründen flüstern. »Ist es dein Chef Lothar?« Soviel zum Extrasinn bei Müttern. Die Liebe meines Lebens. E-Book, ca. 380 Seiten, ISBN 9783940582898, April 2019, 3,99 € Print-Ausgabe, 388 Seiten, ISBN 9783940582911, Mai 2019, 12,99 €