Zeitparadöxchen

FegefeuerWerkstattbericht 27. Mai 2015

Ich bin jetzt für ein paar Tage zu Besuch bei meinen Eltern in Trier, Familienfeier und so. Wir machen uns heute einen gemütlichen Tag, mein Vater chillt shisharauchend auf dem Sofa und liest „Feuertanz“ (ich hätte gar nicht damit gerechnet, dass ihn das irgendwie interessiert!), ich liege ein Stockwerk drüber im Bett und schreibe an „Fegefeuer“. Mal abgesehen davon, dass es eine witzige Vorstellung ist, dass mein alter Herr sich da grad begeistert in einen Teenager-Mädchen-Ballett-Roman vertieft, ist auch dieses zeitliche Nebeneinander irgendwie spacig. Mein Vater ist momentan an der Szene, in der Desiree und Vico einander bei der Impro-Einlage zu Hestayettes Song „Ich bin Gefahr“ näherkommen. Ich schreibe nur wenige Meter entfernt, wie Desiree Vico nach dem Date, das nicht ganz so verläuft wie erhofft, unter ziemlich unschönen Umständen im Theater wiederbegegnet. Es passieren also quasi Sachen, die zeitlich nacheinander stattfinden, hier in unseren Gedankenwelten parallel. Stell dir mal vor, es gäbe es Haus, in dem du im Erdgeschoss grad deinen Freund kennenlernst, während ihr gleichzeitig im ersten Stock unter eurer Trennung leidet. Das ist doch irgendwie sehr strange, oder?

Noch cooler wäre es ja, ich würde jetzt ganz viele Leute hierher einladen, die sich alle im Haus verteilen und „Feuertanz“ lesen bzw. „Fegefeuer“ testlesen. Dann würde Desiree im gleichen Gebäude in verschiedenen Räumen parallel tanzen, mit ihrem Vater zu Abend essen, sich mit Sergej zoffen, sich mit Sergej wieder versöhnen, nach Beelitz fahren, etc. Und da ja jeder Mensch ein anderes Lesetempo hat, würde auch die Zeit in Desirees Parallelwelten unterschiedlich schnell verstreichen. Das ist alles irgendwie sehr psychedelisch!

Gastroman von Nadine Muriel, E-Book, ca. 200 Seiten, 0,99 €