Briefe aus dem Sturm: Drei Fragen an Magret Kindermann

Wem würdest du gern einen Brief schreiben und warum?
Meiner Klassenlehrerin bis zum Realschulabschluss. Sie hat mich unter anderem in Deutsch unterrichtet und mich stark gefördert.Ständig kam sie mit Extra-Aufgaben zu mir. Einmal schrieb ich eine Klausur mit anderen Fragen als der Rest. Ich weiß nicht, ob diese Sonderbehandlung erlaubt war, aber sie hat mir damit sehr geholfen. Ich würdeihr gerne schreiben, wie viel mir das noch heute bedeutet und was aus mir geworden ist. Ob sie stolz auf mich wäre?

Von wem würdest du gern einen Brief bekommen und warum?
So ganz klassisch von mir selbst aus der Zukunft. Dass ich auf dem richtigen Weg bin und mir keine Sorgen machensoll. Wahrscheinlich genau das, was ich später an mich selbst auch schreiben würde. Aber eine Bestätigung wäre gut, ich könnte besser schlafen. Und dazu bin ich wahnsinnig gespannt auf mein älteresIch! Dazu könnte ich einen Blick auf mein Kind werfen, das gerade in mir heranwächst … Oh, ein verführerischer Gedanke! Ach, vielleicht doch nicht, vielleicht will ich das gar nicht. Lieber kurz und knapp:“Alles wird gut.“

Welchen historischen Brief hättest du vor dem Versand am liebsten überarbeitet?
Ich möchte sagen, dass ich gerne den Abschiedsbrief von Virginia Woolf bearbeitenwürde. So dass sie gerettet werden würde. Dass ihr Ehemann sie gefunden hätte, bevor sie mit Steinen in der Tasche ins Wasser gelaufen wäre. Das ist ein egoistischer Gedanke, ich weiß nicht, ob ichsie damit gerettet hätte. Ich hätte ihr gerne mehr Zeit gegeben, um sie schreiben zu lassen. Menschen sollte man jedoch gehen lassen, wenn sie gehen wollen. Aber es kitzelt in meinen Fingern, sofort dachte ich anihren Abschiedsbrief. Ergreifende letzte Worte einer großartigen Schriftstellerin, die mir nahe gehen.

M. Kindermann, W. Tillenburg (Hrsg.): Briefe aus dem Sturm. Anthologie, Juni 2018, als Print und E-Book erhältlich.