Es gibt ein 1844 von Jules Perrot inszeniertes Ballett, in dem die berühmte Esmeralda-Variation vorkommt. Sie gehört bei Ballettwettbewerben zum standardmäßig abgeprüften Repertoire. Im Januar 2014 gönnte ich mir zuschauenderweise mit meinen Mädels einen Ballettwettbewerb mit zirka 20 Teilnehmerinnen. Die Esmeralda-Variation wurde an diesem Nachmittag sage und schreibe sechsmal aufgeführt, und tatsächlich errang eine der Esmeraldas den ersten Platz. Beim Schlusslektorat im Winter 2015 war dieser Punkt für mich das Hauptargument bei der Titelfindung: sechsmal Esmeralda, also kann Band 6 nur Esmeralda heißen!
»Im Dance Floor lässt du Yvonne und Lily aber auch schon die Esmeralda-Variation tanzen«, wandte die Verlegerin ein. Was kümmert mich das, dachte ich, aber sie fuhr schon gnadenlos fort: »Und was hat die Esmeralda außerdem mit Neid zu tun?«
Also hob ich mit wohlgesetzten Worten zu einer meiner gefürchteten psychologisierenden Erklärungen an, weil die bei der Verlegerin immer ziehen:
»Auf dem Heimweg von besagtem Ballettwettbewerb fragte ich mich, was wohl ein Ballettlehrer macht, wenn ihm die ständigen Variationswiederholungen zum Hals heraushängen, er aber aus diversen Gründen nicht ausbrechen kann. Er muss also irgendwie eine ziemlich hohe Toleranzschwelle aufweisen und unheimlich gut verzeihen können, dass ihm Veranstalter und Eleven derart auf den Nerven herumtrampeln. Somit breche ich das Klischee und mache nicht Sex’n’Crime, sondern das Verzeihen zum Dreh- und Angelpunkt des Romans: Jade verzeiht Sam, weil er mit seiner Fotografiererei doch noch die Kurve kriegt. Trisha hat Christopher längst verziehen, dass er mit ihr Schluss gemacht hat. Aber natürlich gibt es auch Paare, die sich mit dem Verzeihen nicht so leicht tun, z.B. Jades Eltern oder Tylor und Christopher. Wäre ja sonst langweilig.«
»Aha«, meinte die Verlegerin bloß, ist dann aber selbst darauf gekommen, dass man auch Neid verzeihen können muss, von dem die ganze Serie nur so trieft. Vorsichtshalber schob ich nach, dass man das gleichnamige Ballett zum Glöckner von Notre-Dame heranziehen kann, in dem die Zigeunerin Esmeralda ihm seine Tätlichkeiten verzeiht, weil Quasimodo sie rettet, aber noch so viele unausgesprochene und beneidete Liebesbeziehung abgehandelt werden, dass ich mich frage, wieso sie das überhaupt anzweifelt und –
»Dann eben Esmeralda!«, brüllte die Verlegerin.
Na bitte, geht doch.
E-Book, ab 13. Mai 2016 für 1,49 €