Uuuuhuuu, was für eine Schlagzeile! Was WIRKLICH PASSIERT ist! Dabei ist gar nix passiert. Also, nix Großes, meine ich. Eher etwas ziemlich Interessantes. Und zwar im Januar, ziemlich genau zwei Monate vor der Leipziger Buchmesse:
Die Mittwoche sind bei mir das, was bei anderen Leuten der Montag ist. Meist ist nicht viel los – man bildet sich es lediglich ein -, davon aber eine Menge, und das macht im schlimmsten Fall ärgerlich. Mich macht so was müde bis desinteressiert. An besagtem Mittwoch war ich also desinteressiert, vielleicht auch müde von den ganzen Vorbereitungen für die Messe, obwohl ich – wie jedes Jahr – früh genug angefangen hatte, alles zusammenzuklöppeln, was ich für die Messe brauche. Dieses Jahr kam auch noch die aufwändige Standdeko mit den ganzen Spitzenschuhen dazu, die ihr bei Facebook bewundern könnt:
Gepostet von Nadine Federfunken Muriel am Freitag, 18. März 2016
Das Meiste war zwar schon erledigt, aber ich wollte noch Poster und Sammelkärtchen und den letzten Band der Ballerina-High-Serie (erscheint erst im Juni/Juli) als Schmankerl und vielleicht sogar Kühlschrankmagneten drucken lassen. Und das wollte ich an besagtem Mittwoch bei einem Radiokrimi tun. (Datensammler aufgepasst: Ich liebe Radiokrimis, für die ich die Öffentlich-rechtlichen bemühe.) Diese Krimis laufen idR abends ab 20 Uhr, nebenher kann man noch etwas machen, wenn es nicht wieder ultraspannend wird, aber die Voraussetzungen waren gut, um tatsächlich was wegzuschaffen. (Sorry, BR, nicht immer gelingt euch ein großer Wurf. Aber es kann ja nicht nur extrem gute Krimis geben, sonst erkennt man die Knüller irgendwann nicht mehr.)
ABER DANN wollte ich plötzlich doch wissen, wer der Mörder war, obwohl ein Krimi aus den 1960ern gesendet wurde – oder war es eine Übersetzung? Ach, weiß ich nicht mehr, Fakt ist aber, dass ich richtig zuhören wollte. Das tat ich auch für 50 Minuten, so lang dauert ein Radiokrimi im Schnitt, danach schwebte mein Finger schon über dem Einschaltknopf meines Laptops – und plötzlich klebten meine Augen an einem Buch, das zwischen Papieren hervorspitzte: Das Kind, das zu viel wusste von Jonathan Kellermann. Das Buch hatte ich aus einer Tauschkiste mitgenommen für den Fall, dass ich mal unbedingt einen Krimi schreiben müsse, quasi als Recherchematerial.
Meine andere Hand zog das Buch unter den Blättern hervor und überredete den Finger über dem Laptop-Knopf, sich zu entspannen. Ich blätterte das Buch auf, überflog die erste Seite, die zweite, schließlich knallte ich nach Seite 17 das Buch wieder zu. Und ich ärgerte mich: So viel Arbeit für vier Messetage, bei denen höchstwahrscheinlich maximal die Hälfte der Ausgaben wieder hereinkommt. Und dazu die Monate voller Arbeit, in denen ich nicht mal in Ruhe ein gutes Buch lesen kann, obwohl ich die Dinger sogar selbst produziere …
Trotzig klemmte ich mich mit dem Buch auf die Couch. Eine halbe Stunde Auszeit am Abend sollte drin sein, selbst wenn man einen Stand für die Kronjuwelen der Literatur vorbereitet! (Man beachte die megalomanische Wortwahl. Die kriegt noch einen Extra-Post!) Danach hatte ich schließlich noch die ganze Nacht Zeit, die Arbeit aufzuholen. Das schlechte Gewissen würde mich schon wieder an den Schreibtisch treiben …
Tja. Und dann las ich bis ca. drei Uhr morgens Jonathan Kellerman. Und das schlechte Gewissen, die faule Socke, poofte seelenruhig irgendwo anders. Und das fand ich ziemlich entspannt. Weniger lässig fand ich die Fragen, die ich mir nach drei Stunden Schlaf stellte:
Warum macht dieser blöde Kaffee nicht wach? Kann ich das Defizit wieder aufholen? Und wieso bin ich in einem Buch versumpft, statt selbst welche fertigzustellen und die Daten an die Druckerei zu schicken?!
Die Antwort lag so was von auf der Hand: Weil ich wollte! Und ich wollte an diesem Donnerstag nicht nur eine zweite Tasse Kaffee mit viel Milch, sondern ich wollte in Zukunft wieder mehr Abende lesend auf der Couch verbringen. Mit einem Buch, das ich weder selbst geschrieben noch lektoriert oder sonstwas damit angestellt habe. Weil’s nett war, einfach mal unbeschwert zu lesen. Und damit war alles klar.
Ja, schon gut, bestimmt schütteln jetzt wieder ein paar Leser die Köpfe von wegen: Woaaah, Traumberuf und dann so was, wenn man doch selbst Bücher machen kann, ist das doch wie Hobby … Nö. Isses irgendwann nicht mehr. Es lutscht sich selbst aus, egal wie viel „Traumberuf“ drinsteckt. Aber ganz aufhören fand selbst ich an diesem verschlafenen Donnerstag bescheuert. Also fragte ich mich ernsthaft, ob ich irgendwas ändern könnte, um künftig wieder mehr zu lesen, um zu genießen. Um mal runterzukommen und den Abstand zu der ganzen fiktiven Idiotie zu gewinnen, mit der man sich in dieser „Kulturbranche“ beschäftigt. Einfach mal wieder Leserin zu sein – jou, das wär’s. Und so ist aus dem Verlag die Autorenberatung geworden.
Bis dieser Post erscheint, weiß ich, wie meine neue Klitsche heißen wird. Bis dahin habe ich auch mindestens den Fünfhundertseiter durch, mit dem ich allabendlich auf der Couch flacke und es sooo nett finde, dass ich einfach nix anderes tun muss als mein Gehirn phantastisch auf Trab zu bringen, ganz ohne Lektoratsrotstift in der Hand. Ich verrate euch was: Es ist herrlich, für ein Buch nicht mehr durch die Lektorats-Korrektorats-Layout-Druckdaten-Hölle gehen zu müssen, ohne einen Schritt auslassen zu dürfen …
… tja, und mehr ist wirklich nicht passiert, ich schwör’s.