B. Unghulescu: Früher

Enkelin: Oma, warum erzählst du immer die alten Geschichten?

Oma: Damit du daraus lernst.

Enkelin: Wie soll ich lernen, wenn ihr mir nicht sagt, wie ich es besser machen soll?

Oma: Hör zu, mein Mäuschen. Ein herrlicher Apfelbaum trug die schönsten Früchte. Sie dufteten schon von weitem und zogen Bauern und Adelige aus allen Teilen des Landes an. Jeder wollte wenigstens einmal probieren, auch Radu und Ioana. Doch es ging ihnen wie Adam und Eva: Kaum hatten sie den ersten Bissen gegessen, stellten sie fest, dass die Äpfel schmeckten, wie Äpfel eben schmecken. Sie probierten auch vom Apfel des anderen – da merkten sie, dass das Aroma der Äpfel, obwohl sie vom gleichen Baum stammten, ein wenig anders war.

Nachdenklich gingen sie wieder nach Hause, in der Tasche zwei abgegessene Apfelgehäuse, und pflanzten sie in ihrem Garten ein. Nach vielen vielen Jahren, als ihre Bäume endlich Früchte trugen, ernteten sie sie voller Freude und kosteten davon. Und siehe da, wieder fanden sich an jedem der beiden Bäume Äpfel mit unterschiedlichem Aroma. Doch ihre Früchte schienen ihnen größer, denn in der Erinnerung wird alles klein und grau. Nur ihre Kinder lachten, denn sie hatten Äpfel vom Baum ihrer Ahnen und konnten sich daran ihr ganzes Leben erfreuen.

Enkelin: Ach, Oma, immer die alten Geschichten!

Oma: (lächelt) Ja, immer die gleichen alten Geschichten …

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