Es war einmal ein Prinz, der glaubte, Daliborka zu lieben, als er noch mit ihr zusammen das Internat Burg Edelstein besuchte. Doch trotz aller Freundschaft sprang der Funke im entscheidenden Moment einfach nicht über. Statt um ihre Hand anzuhalten, wie es jeder gestandene Prinz getan hätte, schenkte er ihr ein Freundschaftsarmband mit einer selbst gravierten Plakette. Und das war’s dann auch schon mit ihrer Beziehung.
Sahir, der Prinz aus den Hallen des Djebel Toubkal, wusste, dass sein Volk in ihm keinen guten König sehen würde. Ihm fehlte auch der Wille, das zu ändern. Deshalb ließ er sich vor fünfzig Jahren als Graveur in Berlin-Gesundbrunnen nieder und hütete die Territorialurkunde seines Volkes. Er spielte Statthalter für seinen Vater, den König, um wenigstens etwas zu tun.
Der Diebstahl der Territorialurkunde entblößt ihn nun. Er ist nicht nur kein guter Statthalter. Nein, der perfide Diebstahl des Nachtmahrs berührt Sahirs Herz und weckt in ihm, was er stets verleugnete. Er möchte lieben und geliebt werden, weil er ist, wie er ist. Und nicht, weil er einem Geschlecht angehört oder der Prinz ist.
Daliborkas Ankunft sieht er mit gemischten Gefühlen entgegen. Hundert Jahre haben sie sich nicht gesehen. Ob sie ihn verstünde, wenn sie wüsste, dass er …
Natürlich könnte das alles auch auf den schrecklichen Liebeszauber zurückzuführen sein, der sich seiner bemächtigt. Denn die etwas dümmliche Wirtin Barbara mit dem Esoterik-Tic spielt mit magischen Tricksereien herum, als wäre es Kochrezepte. Als Statthalter von Gesundbrunnen sorgt Sahir 1885 dafür, dass sie sich ablenken kann, doch auch das funktioniert nicht so, wie er es gern hätte.
Außerdem hasst Sahir Menschen, die leider seine besten Auftraggeber sind. Und so graviert er Platten und Schilder und Schmuck für diese großen Wesen mit den riesigen Füßen, dem arroganten Gebaren und der Einbildung, dass ihnen die Welt gehört.
Aber gut. Sie wissen es nicht besser.
Daliborka: Der Nachtmahr.
Teil 1 der Trilogie Das Geheimnis der Freiheit E-Book, ca. 200 Seiten, Erstveröffentlichung Juli 2019