Werkstattbericht, 14.04.2015, 9:02
Endlich komme ich zum ersten und einzigen Wettbewerb dieses Romans. Es ist nun nicht so, dass es an Wettbewerben mangelt, an denen ich mich orientieren könnte. Aber es geht in diesem Roman nicht nur darum, das Tanzbein zu schwingen und in Spitzenschuhen herumzustolzieren.
Ich habe im letzten Jahr das Buch „Pretty girls in little boxes“ (1995 oder 1996 in den USA erschienen) gelesen, in dem es um das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter im Wettbewerbsbetrieb geht. Erschreckend und sehr lesenswert! Die Fälle darin beziehen sich zwar auf Eiskunstlauf und Leistungsturnen, die „Psychomechanik“ ist aber anscheinend ähnlich. Während der Lektüre wurde mir immer klarer, wie zerstörerisch es sich auf komplette Familien auswirken kann, wenn man sich quasi auf Gedeih und Verderb in diesen Betrieb stürzt. Da ziehen Mutter und Tochter in einen anderen Landesteil, weil dort der bessere Trainer für die Tochter ist. Komplette Wochenabläufe werden an den Bedürfnisse des „Starkindes“ ausgerichtet. Eltern nehmen einen Zusatzjob an, um die Kosten für das Training zu finanzieren etc. Sehr amerikanisch! Tatsächlich gibt es eine Dokumentation des WDR, in dem die Vorbereitung zweier Mädchen auf die Olympischen Sommerspiele gezeigt wird. Und auch hier gibt es die Familie mit drei Kindern, die wegen der Tochter, die als Olympiahoffnung gehandelt wird, ihr Haus verkauft und in eine andere Stadt zieht, damit die Tochter optimal trainieren kann. Statt des amerikanischen „Homeschooling“ geht die Tochter täglich nur drei Stunden zur Schule (sie ist auf dem Gymnasium), trainiert ab elf Uhr, nachmittags noch mal und abends sind dann die Hausaufgaben dran.
Auf den ersten Blick wirkt das Ganze weder reißerisch noch zerstörerisch, nein, man bekommt eine niederrheinische Familienidylle präsentiert. Auf Nachfrage des Reporters kommt jedoch heraus, dass der Sohn der Familie darum gebeten hat, wenigstens beim Essen das Turnen auszusparen und doch bitte endlich über andere Themen zu sprechen. Dass die Mutter die vielversprechende Tochter täglich zweimal von der Schule zum Training und zurück kutschiert, weil die Tochter das Pensum sonst nicht schafft, und deswegen ihrem Beruf nicht nachgehen kann, klingt eher nebenbei mit. (Und es kommen noch die zwei anderen Kinder dazu, der Haushalt, das „Familienmanagement“, na ja, was man als Frau eben so macht, egal ob man einen Brotberuf ausübt oder nicht.) Sooo idyllisch finde ich das dann doch nicht mehr.
Und während meine kleinen Heldinnen also aus unterschiedlichen Gründen wie besessen trainieren, spielen sich im Hintergrund die Dramen ab, die Spannungen zwischen Kindern und Eltern, die ich im Roman Walzerkönigin auflösen werde. Denn man muss nicht wie im o.g. Buch verhungern (wegen Anorexie) oder einsam in einem Krankenzimmer sterben (nach einem schweren Sportunfall), sondern man kann sich tatsächlich daraus lösen, wie es in dem bezeichneten Buch ebenfalls geschildert wird. Was natürlich dramatisch für die Familien ist, die sich einen neuen Grund suchen müssen, um als Familie weiterzuexistieren. Hochpsychologisch, das 🙂
E-Book, 250 Seiten, mit verlinktem Glossar, 0,99 €
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