Werkstattbericht, 25.03.2015, 9:23
Jetzt isses soweit, es geht ans Eingemachte. An mein Eingemachtes, wohl gemerkt. Wenn man einen Hintergrund konstruiert, gerät man unweigerlich tiefer in die eigene Lebensgeschichte hinein. Darin gab es bei mir natürlich nicht nur Extreme, sondern auch Dinge, die sich quasi im Vorbeigehen ereigneten. Dazu gehören die drei Jahre, die ich in den 1990er Jahren im damals noch als FNL bezeichneten Ostteil des Landes verbrachte. (Das war die Abkürzung für die „fünf neuen Länder“. Falls diese Frage in einem PISA-Test gestellt werden sollte.) Keine Sorge, es geht jetzt nicht um Ost-West-Romantik oder andere verzerrende Anekdötchen. Aber da waren Nachbarn, die mir, damals noch „Wessi“, einfach mal erzählten, wie es vor der Wende gewesen war. Die Näheres über die Stasi zu berichten wussten, was so gar nicht ins Bild der Bösen passen wollte oder schlimmste Befürchtungen bestätigte. Z.B. gab es Stasimitarbeiter, die ihren Posten zu ihrem eigenen Vorteil nutzten oder damit andere deckten, wo es ging. Etliche Berichte eignen sich als Filmvorlagen für Werke wie „Das Leben der Anderen“, andere zeigen die Tragik von Gut und Böse. Letztlich war immer Willkür im Spiel, gegenseitiges Vertrauen war zu DDR-Zeiten und noch Jahre danach fast unmöglich, vielleicht ist es auch heute noch nicht einfach zu schenken. Und immer, wenn ich dachte, schlimmer geht’s nimmer, hatte jemand noch eins draufzusetzen.
Meine Vorzeige-Leipzigerin Sandra Schmitt muss da natürlich auch wieder durch. Nicht obwohl, sondern weil schon 25 Jahre seit der Wende vergangen sind. Die Vergangenheit hat nämlich die unangenehme Eigenschaft, sich immer wieder in die Gegenwart einzumischen. In Swanlake musste sie sich zum ersten Mal mit ein paar unliebsamen Details auseinandersetzen. In Wiener Blut kommt es zu einer handfesten Begegnung mit einem weiteren Opfer der Diktatur. Und jetzt, wo in der Hinsicht alles gut zu sein scheint, gehe ich in die Tiefe, weil kein James-Bond-Film so tragisch sein kann wie die Wirklichkeit. Natürlich könnte ich darauf verzichten und einen lupenreinen Feel-Good-Roman zusammenzimmern. Aber das empfände ich nach allem, was mir in den besagten drei Jahren zu Ohren gekommen ist, fast schon als Verrat an der Geschichte. (Boah, jetzt habe ich aber tief in die Formulierungskiste gegriffen.) Es gibt noch so viel über die Nachwirkungen der 40-jährigen Teilung zu berichten , das für die Zukunft wichtig ist.
Vielleicht funktioniert der Roman als Berichterstattung auch bei den Lesern. Wenn nicht, habe ich noch mal Zeit gehabt für eine Rückschau. Möge sich jeder herausziehen, was ihm bzw. ihr taugt …
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