Wiener Depesche: Bohemiens, Avantgarde – Künstlerpack eben

Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal nachfragen. Je44_WienerBlut_Cover01_1_140mand anders könnte es wissen! Bis der Roman „Wiener Blut“ endlich erscheint, könnt ihr lesen, wie mir mein Informant aus Wien beim Schreiben geholfen hat:

Bitte verzeiht mir diese Überschrift, ich konnte nicht Produkt-Information widerstehen! Natürlich sind Künstler kein Pack, sondern so was wie der Entwicklungsstand einer Gesellschaft. Im Hinblick auf die Bohème ist es sogar eine sozialgeschichtliche Sache, die sich bewusst von der Avantgarde abgegrenzt hat – aber alle haben sich, je nach Geldbeutel, mit Kunst beschäftigt

Wie verhält sich nun so ein Künstler in Wien? Es liest sich ziemlich bekannt, was Herr Heimlich berichtet, man achte auf die Anführungszeichen: Der verkannte Künstler verfügt über einen hohen Grad an Selbstkritik, sucht den Kontakt zu Gleichgesinnten und kann über mehrere Stunden an einem Glas Bier in einem Lokal nippen. Der sogenannte „erfolgreiche“ Künstler gibt sich nicht selten arrogant und allwissend, erklärt gerne seine „Kunst“ (was der verkannte Künstler gewöhnlicherweise nicht tut!). Und weil er „Erfolg“ hat, ist aus seiner Sicht seine Kunst über alle Zweifel erhaben. Dabei ist das „Phänomen“ nicht selten, dass „erfolgreiche“ Musiker, Literaten oder Maler qualitativ stark abbauen, nachdem sich der „Erfolg“ eingestellt hat. So ein Typ ist auch Sandras neuer Chef, Hans-Jürgen Zeidler, genannt Joey. Er weiß, was er tut, fährt allen über den Mund, ist der alleinige Herrscher und kennt als Einziger das Geheimnis einer profunden Vorbereitung zur Teilnahme an Ballettwettbewerben. Punkt.

Ich habe lang überlegt, ob ich ihn wirklich so stereotyp daherkommen lassen soll und beschloss: Yes, I can. Denn mit dieser Allmacht, dem Größenwahn kommen noch ein paar andere Eigenschaften daher, die sich wunderbar verpacken lassen, z. B. seine Fähigkeit, andere Menschen zu manipulieren oder die Tatsache, dass er allein mit seinem Auftreten die Situation kontrolliert. So was nennt man Charisma, oder im destruktiven Fall Sozio- bzw. Psychopathie. (Nein. Kein Hannibal Lector – noch nicht jetzt.)

Wie es sich für einen waschechten Künstler gehört, scharwenzelt er um die Mäzene herum, die seinen Lebensstil finanzieren, also eher reiche Wiener mit „Kunstverständnis“, die theoretisch in Döbling wohnen könnten. Aber das wäre mir wiederum zu einfach gewesen, denn nur weil sich jemand Kunst leisten kann, heißt es nicht, dass er nichts davon versteht … Ich war mir noch nicht ganz klar darüber, wie und ob ich den Umstand mit den Mäzenen einbaue, weshalb man sich auf den zweiten Teil freuen darf.

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