Yps – Arbre d’oeufs

Sommerkonserve von Bettina Unghulescu

Mir ist kein packender Name eingefallen, aber der trifft es trotzdem. Es begab sich zu der Zeit, dass auch Yps mal was „grünes“ machen wollte. Und dafür gab´s den Ostereierbaum, der eigentlich ein ganz popeliger Auberginenbaum war, sich aber wegen seiner Früche ganz gut zu Ostern machte. Ich glaube allerdings, er kam später auf den Markt, denn die Geschichte, auf die ich jetzt zu sprechen komme, ereignete sich im Sommer.

Luca und ich waren inzwischen im Yps-Fieber. Sobald es ein neues Heft gab – und das Taschengeld reichte – sprinteten wir zum Kiosk und kauften, kauften, kauften. Also kamen wir auch nahezu zeitlich in den Besitz des genannten Baumes, trafen uns zu einem lauschigen Pflanzennachmittag und berichteten jeden Tag mit leuchtenden Augen, wie groß unser Spross inzwischen sei. Bei der Aufzucht gab es keine weiteren Zwischenfälle. Der Baum wuchs, die lila Blüten sprossen, artgerecht bestäubten wir sie mit dem Pinsel – stand so im Yps! – tja, und dann war es soweit. Die ersten weißgelben Knubbel bildeten sich. Watt hamwa uns gefreut!

Aber es wurde Sommer, die Tage wurden auch in Nordrhein-Westfalen heißer, und meine Eltern wollten in den Sommerferien mit mir im Gepäck verreisen. Wohin aber mit dem so mühevoll aufgezogenen Wunderbaum? Schweren Herzens überantwortete ich ihn Luca und trat die Reise in den Schwarzwald an. Während der zwei Wochen habe ich zwar nicht ein einziges Mal an das Pflänzchen gedacht – doch kaum hatten wir wieder heimischen Boden unter den Füßen, sprintete ich zu Luca hinüber.

„Wo isser?“!

„Wer?“

„Der Wunderbaum!!!“

Es war wie so oft in diesem heißen Sommer. Luca hatte ihn zwar regelmäßig gegossen – einmal die Woche, wie es im Yps-Heft gestanden hatte – aber da die Yps-Redaktion ja nicht hatte ahnen können, dass in Wesel alle Pflanzen wegbrutzelten, war es zu wenig gewesen. Aufgrund von Wasserknappheit war der Wunderbaum an einem herrlichen Sommersamstag eingegangen. Und für mich brach eine Welt zusammen.

Lucas Wunderbaum hingegen spross und gedieh weiterhin – denn sie hatte ihn wohlweislich während der heißen Zeit in den Schatten gestellt. Warum ihr das bei meinem Pott nicht eingefallen ist – keine Ahnung. Schusseligkeit? Zu wenig Platz auf der Fensterbank? Alles Grübeln half nichts, mein Baum war hin und Luca grinste stolz von einem Ohr zum anderen, weil ihre „Eier“ so groß waren. – Ich schwor Rache.

Knapp zwei Wochen später, als die Schule schon wieder angefangen hatte, waren wir zusammen unterwegs gewesen, um noch etwas für den Kunstunterricht zu besorgen. Der Weg führte uns beide an die Stätte des zukünftigen Debakels, denn in Lucas Tasche klirrten zwei Gläser Plaka-Farben. Wir lieferten alles bei ihr zu Hause ab, doch bevor wir zum Spielen rausdurften, musste Luca – ihr Zimmer aufräumen. Sie hatte es nach der Meinung ihrer Mutter in einem so erbarmungswürdigen Zustand zurückgelassen, dass dem sofort abgeholfen werden musste. Und als Luca schmollend in ihr Zimmer stiefelte, reifte in mir ein böser, böser Plan.

Kaum war die Wohnzimmertür hinter ihr zugefallen, griff ich nach meinem neuen Borstenpinsel und ihren zwei Gläsern Plaka-Farbe. Der Eierbaum stand nach wie vor auf seinem angenehmen Plätzchen auf der Fensterbank. Rot und Schwarz kamen mir gerade zupass, und in meiner kindlichen Rache malte ich hässliche Fratzen auf die Früchte der unschuldigen Pflanze, sodass es aussah, als habe ein Vampir einen Osterstrauch geschmückt. Als ich fertig war, schraubte ich die Gläser zu und machte mich aus dem Staub.

Ob ich bestraft wurde? – Natürlich. Ich musste mit meiner Mutter unsere Zimmerpflanzen umtopfen, was ich noch nie leiden konnte. Danach musste ich den Balkon schrubben. Ungefähr 100 Tage gingen dafür drauf.

Und Luca? – Nun. Sie war einen Tag stinkewütend auf mich. Dann stellte sie fest, dass man mit den anderen Kindern nicht so viel Blödsinn machen konnte und holte mich wieder zum Spielen ab. Und unser erster Weg führte uns mal wieder zum Kiosk, wo wir nach dem nächsten Yps-Heft gierten …

Zuerst gepostet am 2. Juni 2010