Rezension In Gottes Namen: Historischer Roman aus dem Dreißigjährigen Krieg, Friedel Brenneke
Franka an Fanny, Grevenhagen, den 11. August 1830
Liebste Fanny,
nun bin ich heute glücklich in Grevenhagen angekommen und habe bereits Erkundigungen angestellt, wie es denn nach Paderborn weitergehen könnte. Wie du weißt, endet hier der Hoheitsbereich der Thurn-und-Taxis-Post, und damit ist es auch mit der Bequemlichkeit vorbei. Keine gefederten Kutschen mit gepolsterten Sitzbänken mehr! Keine Garantie, die Nacht in einem Bett in der nächsten Poststation zu verbringen. Wahrscheinlich werde ich auf der Strecke nach Paderborn so viele Heuschober mitsamt ihren Flohfamilien kennenlernen, dass ich als medizinisches Modell in Paderborn ein paar Kreuzer dazuverdienen kann! Wie viele Unzen Blut ich dann wohl noch im Körper haben werde?
Doch bis dahin muss ich der Unruhe Herr werden, die mich auf der Fahrt nach Grevenhagen überkam und die durch das Ausbleiben einer Nachricht von dir noch verstärkt wurde. (Gleich beim Eintreffen hatte ich mich nämlich beim Postler auf der Station erkundigt, ob er etwas für mich hätte, aber er verneinte nur unwirsch.) Denn mit im Postwagen waren zwei Herren gereist, die nicht sehr gut, aber auch nicht außerordentlich schlecht gekleidet waren. Auch ließen Sprache und Gebaren auf rudimentäre gesellschaftliche Bildung schließen, und so hätten es nette Stunden bis zum Eintreffen in der Poststation werden können. Jedoch trugen sich die beiden Herren – die ich Herr Groß und Herr Klein nenne, da sie sich mir ungehörigerweise nicht einmal vorstellten! – mit schweren Gedanken. Zwar verspräche die Hitze nach dem zwölftägigen Dauerregen hohe Ernteerträge, aber die vielen Unwetter im Frühling hätten auch genug vernichtet, sodass man wahrscheinlich gerade so über die Runden käme. Es stellte sich heraus, dass die Herren aus Wolbeck bei Münster stammten und das Erzählte am eigenen Leib erfahren und Schaden erlitten hatten, was mich außerordentlich für die beiden dauerte. Aber damit noch nicht genug! Nach den wenigen ausgetauschten Formalien begannen sie ein Gespräch bezüglich der Stabilität des Friedens. Unruhe herrsche im Land seit der erneuten Aufstände im Nachbarland, raunten sie und warfen mir bedeutungsvolle Blicke zu. Unzufriedenheit ob der Unfreiheit des Volkes, des Stolzes, der Nation! Ich habe schon in Minden davon flüstern hören, dass die Empörung über die Umstände wächst, es aber auf den üblichen Verdruss wegen des wechselhaften Sommers geschoben. Schlau wurde ich aus ihrem aus Andeutungen bestehenden Gespräch jedenfalls nicht, habe aber so viel herausgehört, dass die Unruhe sich auf die Regierung bezieht und hin und wieder schon von einem neuen Krieg die Rede ist. Ein Krieg der Freiheit wie in Frankreich stünde an der Pforte. Aber falls es Krieg gäbe, würde es dann nicht eher einer der Sorte wie 1815? Oder – der Himmel bewahre! – ein Krieg, der mit einem weiteren westfälischen Frieden enden müsste wie anno 1648?
Gerade sehe ich durch das Fenster der Schankstube die nächste Postkutsche heranfahren und vor der Station halten. Ich werde nun noch einmal nach einem Brieflein von dir fragen. In der Hoffnung, bald von dir zu lesen, sende ich dir
1000 Küsse, deine unternehmungslustige
Franka
Wem ich diesen Roman ans Herz lege:
Interessiert sich der geneigte Leser für die heere europäische Historie, so kann er zu diesem Buche über den 30-jährigen Krieg greifen. Jedoch präsentiert es sich als eines von vielen, das sich kaum abhebt in Sprache und Handlung. Nun, ich vermute, es war ein Herzensprojekt, und eben jene haben Hochachtung verdient.
Somit vergebe ich *** von 5 Sternen.
Franka, im August 1850
In Gottes Namen: Historischer Roman aus dem Dreißigjährigen Krieg, Friedel Brenneke