Die Romantitel
Leser des Verlagsblogs haben es schon bei der Dance-Floor-Serie mitbekommen: Ich bin eine Meisterin der Umbenennung meiner Protagonisten. Mein Faible für Vornamen, die mit dem Buchstaben S beginnen, habe ich in der Zwischenzeit fast abgelegt. Zudem habe ich es dieses Mal anders herum gemacht: Ich habe erst Namen herausgesucht, denen entsprechende Eigenschaften zugeschrieben werden, und dann die Figuren skizziert. Und wer hätte es gedacht: Bis auf einen Figuren-Namen habe ich alle beibehalten können!
Aber das entband mich nicht davon, auch meine Romane so zu benennen, dass deren Titel etwas über den Inhalt aussagen. Jetzt wurde es erst richtig kniffelig, denn im Gegensatz zur Dance-Floor-Serie, in der es um die »Grundeinstellung« der Protagonisten geht (also Rebellion, Eisprinzessin, Traumtänzer usw.), wollte ich mit Ballerina High den nächsten Schritt vollziehen. Nach der Erlernung der Fachbegriffe sollten nun Opern und deren Auswirkung auf die Figuren im Mittelpunkt stehen. Blöd, dass ich damit ein buntes Gemisch aus Vornamen und Tänzen kreiert hätte, aus denen sich für den Laien auf den ersten Blick kein Zusammenhang erkennen lässt.
Im ersten Stadium der Planung hieß der erste Band Boléro, also wie der berühmte Tanz des französischen Komponisten Maurice Ravel. Meine Verlegerin legte die Stirn in so viele Falten, dass ich befürchtete, das bliebe so. Ein Apostroph in einem Titel ist ihrer Aussage nach ein Garant dafür, dass der Titel nicht in den Handelsdatenbanken gefunden wird, weil man im Deutschen keine Apostrophe verwendet. Ein entsprechendes Experiment hatte sie bereits bei der ersten Auflage des Titels Heimatschmollen von Bettina Unghulescu abgebrochen, den damals partout niemand unter dem ursprünglichen Namen Heimatsch(m)olle(n) finden wollte. (Das sind ja auch Klammern, während ich ein Apostroph verwende! Aber man sollte in solchen Punkte auf die Erfahrungen der Verleger vertrauen, bevor man selbst draufzahlt.)
Ich erinnerte mich an den Wunsch meiner ältesten Tochter nach griechischen Göttern und nahm schweren Herzens die erste Titelumbenennung vor: Der Bolérowurde zu Aphrodite – beide sehr schön und sehr eitel, also passte die Sache für mich. Danach überlegte ich, ob ich meiner Verlegerin Anti-Falten-Creme schenken sollte, denn sie verlangte eine Begründung für die Göttin der Schönheit. Ich hatte keine gleichnamige Oper oder wenigstens eine Choreographie zur Hand, obwohl ich mir wirklich Mühe gab, ihr die Sage um Paris und Aphrodite schmackhaft zu machen:
Eris, die Göttin der Zwietracht, ist beleidigt, weil sie nicht zur Hochzeit des Peleus und der Thetis eingeladen wurde. Sie wirft einen goldenen Apfel (der Granatapfel, aus dem später das Idiom »Zankapfel« wurde) unter die die feiernden Götter des Olymps, auf dem »Für die Schönste« steht. Prompt beginnen Aphrodite, Athene und Hera zu streiten, wem dieser Apfel gebührt. Göttervater Zeus möchte seine Frau und Schwester Hera nicht durch eine unbedachte Entscheidung verärgern und veranlasst, dass Hermes die drei Göttinnen zu Paris, dem verstoßenen Sohn des trojanischen Königs Priamos, bringt, damit er die Entscheidung fällt. Nun feilschen die drei Göttinnen um seine Gunst: Hera verspricht ihm die Herrschaft über die Welt, Athene Weisheit. Aphrodite bietet Paris die Liebe der schönsten Frau der Welt und bekommt von ihm dafür den goldenen Apfel. Jedoch ist Helena, die schönste Sterbliche, bereits mit Menelaos, dem König von Sparta, verheiratet. Paris entführt Helena und löst angeblich so den Trojanischen Krieg aus.
»Tja, und dann muss man sich nur noch drauf verlassen, dass die Leser deiner Zielgruppe alle den Film ‚Troja‘ gesehen haben«, lästerte meine Verlegerin, »oder sich sofort die Sagen des klassischen Altertums reinziehen.«
»Also keine Aphrodite?«, fragte ich bekümmert. »Auch nicht, wenn man bedenkt, dass Helenas Entführung nach Troja und der anschließende Krieg wunderbar zum zweiten und dritten Band passen würden?«
Meine Verlegerin blieb mal wieder härter als Kruppstahl und entschied, da ich während der Recherchen meine Lieblingsoper ungewöhnlich oft erwähnt hatte – verweigerter Applaus führt zum Tod des Komponisten! – dass der erste Band schlicht und einfach Carmen heißen sollte. Diese Figur war schließlich genauso eitel wie Patricia Franklin und kam am Ende genauso unter die Räder. Der Bolérohingegen sollte der zentrale Tanz des ersten Romans bleiben, auch wenn die Carmen in der Oper eine Habanera tanzt. Damit war es quasi beschlossene Sache, dass statt Opern und Tänzen weibliche Vornamen mit besonderen Rollen die Romantitel bestimmen. Wie sich diese Entscheidung auf die Bände 2 und 3 auswirkte, erfahrt ihr im Anhang von Eurydike und Diana.
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