Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal nachfragen. Jemand anders könnte es wissen! Bis der Roman „Wiener Blut“ endlich erscheint, könnt ihr lesen, wie mir mein Informant aus Wien beim Schreiben geholfen hat:
„Wollen Sie eine Familienfehde anzetteln oder einen Bürgerkrieg?“ Nein, eigentlich einen Kapuziner mit dem Herrn Leopold im Caféhaus trinken, dazu ein paar Brandteigkrapferl mit Schlagobers genießen und schon läuft der Plot. Dabei sind Recherchen zur Bevölkerung aber trotzdem unerlässlich, denn Herr Leopold könnte ja aus einem anderen Land stammen und zufällig in Wien gestrandet sein. Zum Beispiel könnte er aus Tschechien kommen. Oder Kroatien. Oder Ungarn! Tja, und dann sollte man sich auch noch irgendwie auskennen, was die Herkunft angeht …
Für Herrn Heimlich ist es kein Problem, dass ich schon einen Ungarn, nämlich Tibor Hurtonyné, Sandra Schmitts Lehrer aus Akademiezeiten, mitbringe. Praktischerweise haben Ungarn und Österreich ja einen historischen Bezug. Man denke nur an Sisi, die schöne Kaiserin Elisabeth, die sich ziemlich oft und gern auf dem Gut in Gödöllö aufhielt und angeblich ihren Teil zur Befriedung Ungarns beigetragen hat, sodass sie nicht nur Kaiserin von Österreich, sondern auch noch Königin von Ungarn wurde (und anscheinend mit dem Revoluzzer Andrassy … aber das ist eine andere Geschichte). Wie überall auf der Welt auch gibt es einen Stadtteil, in dem besonders viele ungarischen Bürger wohnen, und das ist, so ließ mich Herr Heimlich wissen, die Leopoldstadt, der 2. Bezirk Wiens. Es gibt natürlich auch türkische Bürger oder Muslime, und leider, leider bildet Wien anscheinend im Hinblick auf Ghettobildungen keine Ausnahme. Und wie man sich hier denken kann, betreffen die Ressentiments auch die Deutschen, die in Wien wohnen, wobei es sich wohl eher auf das Nicht-ernst-nehmen bezieht. (Wobei – wir nehmen uns ja auch nicht so richtig ernst, oder?) Manche täten sich auch durch besonders ausgeklügeltes „Weanerisch“ hervor, berichtete Herr Heimlich augenzwinkernd, was wohl die echten Wiener sehr amüsant fänden. Mit diesem Background kam auch ein schöner Begriff in meinen Wortschatz, nämlich das „Zerkugeln“, das Kaputtlachen (über die Deutschen. Wer mitlachen möchte, hätte JETZT die Gelegenheit, in den Keller zu gehen …).
Ob ich ihm dafür böse bin? Nö, warum denn? Schließlich sind wir selbst für das Bild, das die Welt von uns hat, verantwortlich. Immerhin haben wir lang an dem Bild des korrekten, arbeitsamen Deutschen gearbeitet, und so sieht das Ergebnis aus – eigentlich ganz gut, denke ich.
Jedenfalls kann man vor diesem Hintergrund eine ziemlich coole Geschichte erzählen: Die piefige Sandra Schmitt, die diesmal so richtig im Mittelpunkt stehen darf, trifft zunächst auf ihren alten Tanzlehrer, dessen „ungarische Herkunft“ sich über die Jahre in Österreich bereits abgeschliffen hat, dann auf Sandor, der in der Leopoldstadt diverse Fäden zieht – und auf Hans-Jürgen, der sich lieber Joey nennen lässt und ein „endkrasses“ Tanzstudio führt. Er ist ein echter Künstler, ziemlich nervig und sabotiert mit Vorliebe seine Mitarbeiter – was für die überkorrekte Sandra Schmitt wirklich schwer zu ertragen ist, gerade in der Stadt der Liebe und der Mehlspeisen.
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