Schweig still: Revolution am Esstisch

Werkstattbericht zum Schweden-Krimi „Schweig still“, Ullstein Midnight

Wer Belletristisches schreibt und erwartet, dass seine Arbeit Früchte trägt, muss schon eine gewisse Egozentrik an den Tag legen, und eine Prise Größenwahn schadet auch nicht. Sonst gleitet man frustriert in irgendwas Zwangsneurotisches ab, das weder einem selbst noch dem Umfeld guttut. Damit ihr die Dramatik des Moments der Verkündung nachvollziehen könnt, habe ich eine ganz kleine Geschichte daraus gemacht.

„Oh je.“ Der Göttergatte legte das Brot zurück auf den Teller. „Gleich den Olymp willst du mit deinem Krimi knacken. Geht’s nicht auch eine Nummer kleiner?“

„Nö, warum? Alles drunter ist Nippes.“ Ich biss kräftig in mein Salamibrot.

„Bist du sicher, dass du das schaffst?“, fragte die Brut.

Mein Kopf ruckte herum. „Was?“ Schwangen da etwa Zweifel in der jungen Stimme, die ich jahrelang an meinem Busen genährt hatte?!

Die Brut errötete tief. „Na ja, ich meine … Der Verlag lief doch auch mehr so holprig. Also, ich meine, ich traue dir das schon zu, aber, na ja …“

„Lohnt sich die ganze Arbeit überhaupt?“, sprang der Göttergatte der Brut bei. „Du weißt doch, wie viel Arbeit du als Verlegerin hattest. Für mich klingt das, als machst du einfach so weiter, statt endlich mit was Vernünftigem anzufangen.“

Ich breche hier ab und verweise nochmals auf Egozentrik und Größenwahn. Und gönnte mir einen klitzekleinen schizoiden Schub: Ja, sie hatten beide recht. Man verdient leichter Geld mit dem Verkauf von Waschmaschinen. Aber auf der anderen Seite WOLLTE ICH JETZT VERDAMMT NOCH MAL ENDLICH DAS SCHAFFEN; WOVON ICH SCHON SEIT JAHREN TRÄUMTE!!!

<schnauf>

Ich nahm einen großen Bissen von meinem Brot und kaute angestrengt. Mit den Jahren entwickelt man Resistenzen gegen Fremdzweifel, sonst könnte man nicht weitermachen. Die eigenen Zweifel dagegen schwinden sehr, sehr langsam, und fast wäre ich doch noch eingeknickt. „Nun“, meinte ich mit vollem Mund. „Ich finde mein neues Projekt sehr vernünftig.“ Ich gebe zu, das war ein Zitat aus dem Schnellkurs Selbstverteidigung für Autoren. „Krimis gehen laut Spiegel-Bestseller-Liste ziemlich gut, jedenfalls besser als Ballettromane.“

„Spiegel-Bestseller, aha. Und was ist bei deinem Krimi anders als bei anderen Krimis?“ Der Göttergatte hatte sein Advokatengesicht aufgesetzt. Er tut das nicht mit böser Absicht, aber in solchen Situationen sind sie Futter für meine Selbstzweifel: Was war, wenn ich mich als Freiberufliche nur noch mehr in eine fixe Idee verrannte?

Ach was, den Krimi würde ich sowieso schreiben, aber es erschien mir zu billig, mit den Schultern zu zucken und „weiß nicht“ zu murmeln. Also breitete ich das Einstiegsszenario aus – s. letzter Post – ohne dass sich die steifen Mienen meiner Lieben veränderten. „Das Ganze spielt übrigens in Ystad“, meinte ich abschließend.

Der Göttergatte zog die Augenbrauen hoch. „Ystad wie in den Wallander-Krimis?“

Ich nickte, Herz, Kopf und Ohren bereits auf Durchzug. Mich würde niemand mehr von meinem Plan abbringen.

„Darfst du das denn?“, fragte die Brut. „Ich meine, da spielt doch schon ein Krimi.“

„Wäre aber cool“, murmelte der Göttergatte. „Hast du schon einen griffigen Titel für den Roman?“

Wie bitte? Wie cool war das denn?! Ich schaltete auf Autopilot und spulte ab, was ich mir an Verkaufs-, Werbe- und Überzeugungsargumenten im Lauf der Jahre angeeignet hatte. Still staunte ich darüber, dass sogar meine Lieben so heftig auf Schweden ansprangen, obwohl das Land bei uns nie Thema gewesen war. Was war mit den Zweifeln, die mir bisher bei den Ballettromanen entgegengeschlagen waren?

Na gut, dann eben Schweden, dachte ich etwas später, wird schon irgendwie hinhauen.

Schweig still von Mikaela Sandberg, ISBN 9783958190894 3,99 €, 200 Seiten, erscheint am 9. September 2016

http://midnight.ullstein.de/ebook/schweig-still/