Briefe aus dem Sturm: Drei Fragen an Wiebke Tillenburg

Wem würdest du gerne einen Brief schreiben und warum?
Meiner (einst) besten Freundin. Auch wenn ich nach zehn Jahren nicht die Erwartung habe, dass die alte Freundschaft wieder hergestellt oder zurückgezaubert werden kann, aber ein Briefwäre das richtige Mittel, sie erneut anzusprechen. Einfach nur um zu sagen, wie es mir geht und was ich so mit dem Leben anstelle. Natürlich ist es heutzutage eine Lüge, zu behaupten, dass man gar keinen Kontaktmehr hat und nicht wüsste, was der oder die andere so macht. Aber es ist bedeutsamer, in einem Brief davon zu lesen, anstatt es über fünf Ecken zu hören oder schlichtweg einen Namen zu googlen und auf einnützliches Ergebnis zu hoffen. Ein Brief ist etwas Besonderes, das man nur besonderen Menschen gewährt und viel intimer und oft ausführlicher als eine Nachricht über WhatsApp, deshalb würde ich ihrgerne einen Brief schreiben. (Und weil wir beide immer ziemliche Handschrift-Freaks waren.)

Von wem würdest du gerne einen Brief bekommen und warum?
Von meinem Jugendschwarm. Ich habe mir damals sehr viel Mühe gegeben, einen Liebesbrief zu schreiben und noch viel mehr Überwindung hat es mich gekostet, ihn dann auch tatsächlichzu überreichen. Eine Antwort habe ich nie erhalten, das finde ich angesichts meines Einsatzes mehr als unverschämt. Ímmerhin ist dafür damals mein liebstes Diddl-Blatt draufgegangen.

Welchen historischen Brief hättest du vor dem Versand am liebsten überarbeitet?
Es ist schwer, einen historischen Brief zu finden. Ich habe zwar bestimmte Ereignisse, Personen und Aussagen im Kopf, bin mir aber nicht immer sicher, in welchem Zusammenhang diese gefallensind und ob sie tatsächlich in einem Brief standen. Weiterhin gehe ich nicht davon aus, dass das Überarbeiten einer einzigen Botschaft nachhaltige Veränderung nach sich zieht. Zumindest nicht, wenn man an gesellschaftlicheEntwicklungen denkt.
Ich habe also eine Weile vor mich hingegrübelt und bin auf ein zugegebenermaßen plattes und offensichtliches Beispiel gestoßen. Ein Zitat von Friedrich, dem Großen.Er hat in Preußen eine Reihe von Reformen durchgesetzt, was man später als aufgeklärten Absolutismus bezeichnete. In einem Schreiben verwendete er das berühmte Zitat „Jeder soll nach seiner Façonselig werden“. Gerne wird ihm nachgesagt, er lege hier den Grundstein zur Religionsfreiheit in Preußen, ABER diese Aussage bezog sich in erster Linie auf Christen. Juden wurden weiterhin aufgrund ihrer Religion diskriminiert.

M. Kindermann, W. Tillenburg (Hrsg.): Briefe aus dem Sturm. Anthologie, Juni 2018, als Print und E-Book erhältlich.