Lektorenglück: Texte, die man liebt und der Rest

Jemand hat sich gestern öffentlich darauf gefreut, dass ich künftig wieder herumätzen werde. Und u.a. diesen Blogpost hapta nu’ davon.
Ich habe festgestellt, dass man auch als Lektorin ein solides Schmerzempfinden mitbringen sollte. Neinneinnein! Nicht, weil man mit dem Autor in den Ring steigt und es ordentlich was auf die Mütze gibt (wobei mancher verbale Schlagabtausch durchaus als Vorlage für entsprechende Literatur durchginge). Sondern weil man bei der Lektoratsarbeit mitunter sehr, öhm, emotional reagiert.
Zum Beispiel gibt es Texte, die man einfach liebt. Sie sind vielleicht nicht besonders “literarisch” oder besonders besonders. Kann sein, dass lediglich jedes Komma da steht, wo es hingehört. Solche Texte verleiten zu lektorischer Hyperaktivität; man ist geneigt, dem Autor Geld zu überweisen, damit er ganz schnell ganz viel weiterschreibt. Noch besser wäre es, man könnte mit solchen Autoren eine Schreibgarantie auf Lebenszeit abschließen, sodass man nie wieder einen Atemzug ohne ihre Texte machen muss. Das sind Texte, für die man auf Schlaf verzichtet und bei denen man immer wieder bei dem Satz landet:
Boah. Wie hat der Autor bitte schön DAS hingekriegt? So möchte ich auch schreiben können! 
Und dann gibt’s Texte, bei denen man froh ist, dass man Geld für die Bearbeitung bekommt. Plötzlich kann man den Frust eines Deutschlehrers nachvollziehen, wenn man das gefühlte millionste Komma ergänzt oder wegstreicht. Oder wenn man darauf hinweist, dass ein Nebensatz sich durch das Verb am Ende auszeichnet und man doch bittebittebitte nicht nur Hauptsätze in die Tasten hauen soll. (Was das ist? Schaut’s halt nach.) Oder wenn man nach mehrmonatiger Zusammenarbeit gefragt wird, was eigentlich die so oft von mir geforderten “richtigen Präpositionen” sind, dass man schreien möchte:

AUTOR! BENUTZ VERDAMMT NOCH MAL DEN DUDEN!!!

(*Schweißausbruch*)

Fazit:

Als Lektorin spart man sich mitunter den Gang zum Psychologen. Würde ich jemals aufgefordert, Autoren in Gruppen einzuteilen, könnte ich spontan zwei benennen: Es gibt Autoren, die schreiben und lesen können und solche, die geschickt mit Sprache umzugehen wissen. Die einen liebt man – und bei den anderen hofft man eben etwas länger.